Die aktuelle Inflationsrate bringt eine fast vergessene „Deutsche Angst“ wieder auf das Tablett. Alternative Kryptowährungen? Unser Land bzw. seine Bewohnenden wurden historisch mehrfach durchgerüttelt, wenn es um seine Zahlungsmittel ging. Die beiden letzten großen Kriege brachten die Hyperinflation 1929 und die Währungsreform 1948 hervor. Jeweils verbunden mit aggressiver Enteignung der Bürger*innen durch den Staat, nachdem dieser willkürlich die Notenpresse angeworfen hatte – zur Finanzierung der jeweiligen Rüstungsausgaben etc. Aber auch zuvor und später gab es an dieser Stelle Unruhe und Umstellungen: 1870, 1924, 1990 und 2002. Kein Wunder also, wenn Kinder von ihren Eltern und Großeltern lernen, wie unsicher ein Geldsystem sein kann. Fast jede deutsche Generation kennt also „ihr“ Währungstrauma.
Die Inflation beträgt über 10%!
Es ist wenig überraschend, dass die aktuellen Inflationsraten – im Oktober 22 lag sie bei sage und schreibe 10,4% im Vergleich zum Vorjahresmonat (Quelle) – deutsche Ängste auslösen. Die Jüngeren lernen doch aktuell von den Älteren, dass Inflation eine Gesellschaft verarmen lässt. Sie ist wirklich gefährlich für die Stabilität einer Ökonomie und einer sozialen Struktur. Manche Leute meinen nun vielleicht, mit einer Kryptowährung entfliehen zu können. Der offenbar fragil gewordene Euro tauge nicht viel. Die Sehnsucht nach der legendär stabilen D-Mark wird größer. Ist eine Kryptowährung ein gutes Investment? Taugst sie als Zahlungsmittel?
Keine staatliche Aufsicht.
Eine Kryptowährung ist nichts weiter als ein Algorithmus. Es ist ein Computerprogramm. Es gibt sie also nicht als Schein oder Münze, sondern nur digital. Man kann also seine Kryptos allein auf einer Festplatte in einer Art „Konto“ aufbewahren. Die Idee des Erfinders war eine Programmiertechnik, die jede Währung endlich macht. Mehr als eine bestimmte Anzahl an Einheiten können also nicht verfügbar gemacht werden. Darin scheint sich ein gewisser innerer Wert zu verbergen. Das Geheimnis des Programms bleibt den meisten Besitzenden dauerhaft verborgen. Alles in allem scheint eine Parallele zu Gold und Silber zu bestehen. Edelmetalle sind auf der Erde natürlich begrenzte Ressourcen. Soweit zur Idee. Die bekannteste Kryptowährung ist wohl der Bitcoin, den es seit 2010 gibt.
Kryptos sind keine Währung!
Eine Währung ist als gesetzliches Zahlungsmittel definiert. So wie es in früheren Zeiten das Münzrecht der Fürsten gab, haben heute allein Staaten das Recht, ein gesetzliches Zahlungsmittel festzusetzen. Organisiert wird das in der Regel durch Zentralbanken wie die Bundesbank, die Federal Reserve, die Bank of England oder die EZB für Euroland. Die Bewohnenden des Währungsgebietes können sich darauf verlassen, dass sie die Währung zum Warentausch auch wirklich benutzen können. So behält die Währung grundsätzlich ihren Transaktionswert. Die Basis des Erfolgs ist Vertrauen. Und das Vertrauen beruht allein auf Verlässlichkeit und Stabilität – unter staatlicher Aufsicht. Versagt der Staat hierbei, weichen die Bewohnenden aus und Parallelwährungen entstehen: Zigaretten, Wodka, Gold etc. werden zum Tauschen benutzt. Eine Kryptowährung steht in diesem Sinne dem Wodka viel näher als dem Euro oder Dollar. Es gibt keine wie auch immer geartete Kontrolle. So gesehen ist Stand heute z.B. der Bitcoin keine Währung.
Spekulanten tummeln sich.
Wie definieren Investieren als Teilhabe am Gewinn aus der Wertschöpfungskette im Produktionsprozess. Kaufe ich eine Aktie oder Unternehmensanleihe – direkt oder über Investmentfonds – bekomme ich den Ertrag als Rendite aus der Investitionsprämie heraus. Dagegen definieren wir Spekulieren als eine Art Wette auf ein Objekt ohne eigene Wertschöpfungskette. Der Preis einer Unze Gold ergibt sich allein aus den Erwartungen der Markteilnehmenden als Durchschnitt der massenhaften Einschätzung. Die Anlageklasse ‚Währungen‘ ist in diesem Zusammenhang rein spekulativ! „Ein Dollar stellt nichts her.“, kann man auch sagen. Anlagen in Kryptos sind definitionsgemäß also Spekulationen und keine Investitionen. Letztere Wortwahl ist irreführend. Ein Blick auf den Kurs des Bitcoin offenbart diese Wahrheit auch. Rechnet man den Coin in Euro um, hat er zuletzt und unfassbar schnell 72% zu seinem Höchststand verloren (Quelle). Viele Spekulierende können ein Lied davon singen. Allerdings schweigen sie fast immer und nur die wenigen Gewinnenden, die es natürlich auch gibt, werden verzerrend wahrgenommen. Auch ist der Kurseinfluss durch Prominente exorbitant groß: Der Tweet eines einzigen Unternehmers reicht aus, um den Kurs massiv zu bewegen. Vertrauen lässt sich hier nicht begründen.
Kryptos kommen und gehen.
Da bliebe noch das Märchen von der Knappheit der Kryptowährung durch ihre Endlichkeit. Erinnern wir uns: Jede von ihnen ist digital so programmiert, dass sie in ihrer Menge begrenzt ist. Damit begründet sich ihr innerer Wert. Aktuell gibt es aber nicht nur eine Kryptoeinheit. Es sind 9.311 verschiedene Kryptos auf der Welt. Und es waren im Juli 2022 sogar 10.894 Stück (Quelle)! Binnen fünf (!) Monaten sind also zuletzt 15% der Kryptowährungen einfach verschwunden – spurlos. Und mit ihnen auch das Geld der Spekulierenden? Davon dürfen wir ausgehen. Das nebulöse Bermuda-Dreieck der Finanzwelt sozusagen. Die fehlende Kontrollinstanz macht das willkürliche Kommen und Gehen erst möglich. Neben dem erheblichen Schwankungsrisiko kommt also ein einfaches Existenzrisiko auf die Anlegenden zu. Keines der Risiken wirft eine wissenschaftlich begründbare Risikoprämie ab.
Alles in allem ist das Spekulieren auf Kryptos eine stressige Sache. Anlegende sollten hier täglich oder sogar noch häufiger hinschauen und sich darum kümmern. Der Totalverlust ist allgegenwärtig und lässt sich kaum durch Streuung beseitigen. Das Geschäftsmodell Kryptos ist undurchsichtig und wirkt willkürlich. Jede einzelne Kryptoeinheit mag endlich sein, aber das hält die Emittenten, wenn wir sie denn so nennen dürfen, nicht davon ab, stets neue und andere Einheiten zu programmieren. Es gibt keine natürlich Ressourcengrenze. Die Ertrag ist reine Glückssache und kommt einem Casinobesuch nahe. Viele Kryptos zeigen sich als finanzielle Kettenbriefe, bei denen die Letzten die Zeche für die Ersten zahlen. Zu guter Letzt eine ethische Bemerkung: Diese so genannten ‚Währungen‘ sind sehr erfolgreich in den dunklen Bereich der Menschheit. Darknet, Kriminalität, Geldwäsche und Cyber sind durch Kryptos einfacher den je. Wer hier spekuliert, unterstützt die dunklen Machenschaften auf seine Art.