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1. Juli 2016

Finanzentscheidungen unter Angst

Angst ist etwas ganz Natürliches, aber nicht bei Finanzentscheidungen. Dabei ist Angst etwas Wichtiges. Die Evolution hätte nicht stattgefunden, wenn nicht zur rechten Zeit Stressreaktionen in Folge einer beängstigenden Situation zu neuen Wegen und kreativen Wachstumsprozessen geführt hätten. Auge in Auge mit dem Säbelzahntiger hätte kein Wikipedia geholfen. In Millisekunden MUSSTE unser Vorfahre handeln, um eine solche Situation zu überleben. Dafür hat die Natur eine geniale Firewall entwickelt, die letztlich nur noch drei Panikreaktionen zuläßt:

  1. Angriff oder
  2. Flucht oder
  3. Tot stellen.

Das war sehr nützlich. Gesteuert über einen mächtigen Hormoncocktail aus zum Beispiel Adrenalin, Noradrenalien oder Cortisol werden diese Urfunktionen zur eigenen Sicherheit zur zentralen Steuereinheit des Körpers und ALLES andere ordnet sich dem zunächst unter. Jeder kennt körperliche Symptome wie Schweißausbruch, innere Hitze, Herzklopfen etc. Der gesamte Organismus ist in dieser Lage auf Höchstleistung OHNE jeden rationalen Prozess ausgelegt.

Stress lässt wenig Raum für vernünftige Entscheidungen!

In unserer Zeit gibt es keine Säbelzahntiger mehr. Der Mensch hat sich im Grunde nicht wirklich weiterentwickelt in den letzten 100.000 Jahren. Die sehr alten Mechanismen sind noch da. Und sie schützen nach wie vor, wenn es z.B. zur einer gefährlichen Situation im Straßenverkehr oder im Rahmen von Terror oder Kriminalität kommt. Leider wirken sie auch bei Finanzentscheidungen. Menschen denken in Bildern. Vereinfacht gesagt, wird jede Erfahrung, jedes Lernen und jedes Erlebnis in unserem Gehirn durch Vernetzung von Zellen ALS BILD abgespeichert. Dieser natürliche Mechanismus kann beispielsweise folgende Dinge bewirken:

  1. Die Angst vor Verlust führt zu Panikverkäufen (=Flucht) an der Börse, obwohl objektiv wenig Signale für eine Börsenkrise sprechen. Im Hintergrund wirkt vielleicht das Bild von einer Massenpanik auf dem Börsenparkett aus dem Jahr 2008.
  2. Der sympathische Finanzberater beschreibt den Verlust der Arbeitskraft durch Krankheit und die Bilderfahrungen leidender Menschen lösen die natürliche Angst vor Leid und Tod aus. Das verschafft ihm den Türöffner zum Platzieren einer entsprechenden Versicherung (=Angriff).
  3. Völlige Ablehnung jeglicher Finanzprodukte bis hin zur Tabuisierung und Verurteilung von Geld an sich. Resignation, Ratlosigkeit, Erstarrung in eingefahrenen Strategien und dadurch immer wieder die sich verstärkt bestätigenden (schlechten) Erfahrungen (=Tot stellen).
Das alles ist wenig vernünftig. Unter Angstbildern getroffene Finanzentscheidungen haben keine lange Tragfähigkeit, weil stets die Gefahr besteht, dass sich das negativ bewertete Bild tatsächlich und einmal mehr bestätigt. Ein fataler Kreislauf aus Angst, Trotzreaktion, Erfahrung, Resignation und wieder Angst stellt sich ein. Damit der Mensch diesen Kreislauf durchbricht, muss die Finanzentscheidung in den bewußten Verstand geführt werden. Ein erster Schritt kann das Messen der persönlichen Risikobereitschaft sein. Oder das behutsame Aufarbeiten vergangener Erfahrungen mit den Finanzen. Aber Vorsicht: Nicht nur eigene und wirkliche Erfahrungen wirken, sondern bereits die Bilder zu den wahrgenommenen Erfahrungen anderer wie zum Beispiel den Eltern können hier eine große Rolle spielen. Dem Gehirn ist es egal, ob eine Erfahrung WIRKLICH passiert oder ob es nur das Bild des Ereignisses hat.
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