Die Branchenzeitschrift „AssCompact“ berichtet online, dass im Juni 2018 der Entwurf einer DIN-Norm für die „Finanzanalyse von Privathaushalten“ mit der Nummer 77230 zur Stellungnahme vorgelegt wurde. „DIN“ steht für „Deutsche Industrie Norm“ und ist ein weltweit anerkanntes Gütesiegel für mehrstufige industrielle Produktionsprozesse. Dem Artikel nach (Quelle) enthält der Entwurf aktuell folgende Inhalte:
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beschreibt die Analyse der finanziellen Situation von Privathaushalten
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benennt relevante Risiken und Notwendigkeiten
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liefert die Grundlagen für eine private Vermögensbilanz sowie eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung
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enthält statistische Rechengrößen, die nach heutigem (Entwurfs-) Stand regelmäßig aktualisiert werden müssen
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legt eine (abstrakte) Rangfolge für die Priorisierung von Risiken fest, die nach drei Bedarfsstufen differenziert („Sicherung des finanziellen Grundbedarfs“, „Erhaltung des Lebensstandards“, „Verbesserung des Lebensstandards“)
Wieder eine Brancheninitiative also. In diesem Fall durch den „Arbeitskreis Beratungsprozesse“. Das ist zu begrüßen. Leider nicht der erste Versuch, dem normativen Regulierungstrend, an dessen Ende vermutlich irgendwann das gefürchtete Provisionsverbot stehen könnte, etwas Wirksames entgegen zu setzen. Seit Jahren spielen Finanzindustrie und Finanzaufsicht eine Art „Hase-und-Igel-Spiel“ um dieses Thema. Fakt ist: Das Geschäft läuft nicht mehr wie früher. Die Menschen sehnen sich nach guter Finanzberatung. Viele haben sich längst aus der Gestaltung ihrer Privatfinanzen zurückgezogen. Das führt zu stagnierenden oder gar rückläufigen Umsätzen. Und wenn es Umsatz gibt, fällt er meist geringer aus als gewohnt. Und als Berater muss man härter dafür arbeiten als gewünscht.
Hilft eine DIN-Norm denn wirklich, die Probleme zu lösen? Also die der Verbraucher und damit die der Verkäufer? Wären Lehman Brothers, AIG, Griechenland, Kapitalbildende Lebensversicherungen etc. ausgeblieben, hätten die Berater bereits vor 15 Jahren nach einer DIN-Norm beraten? Eher nicht.
Es wäre unrecht, die DIN 77230 als weiteren Marketing-Gag der Branche zu brandmarken. Notwendig ist, dass die Qualität der Beratung messbar und vergleichbar wird.
Die aktuelle DIN-Initiative greift jedoch zu kurz.
In der vorliegenden Form geht es offenbar allein um das Element „Finanzplanung“, scheint es. Damit würde die wichtige Kostentransparenz und mit ihr einher die Vergütungsfrage fehlen. Beides unverzichtbar für den Produktvergleich. Was nützt der beste Finanzplan, wenn die Finanzprodukte so teuer sind, dass die Planungsannahme realistisch unerreichbar bleiben? Zu einer guten Beratung gehören nicht nur Ziele und Wünsche des Kunden, sondern vor allem auch dessen Ängste, Prinzipien und Haltung zu „Geld“. Auch hier bleibt es vage. Und die Ebene der Vermögensverwalter und Produktanbieter und ihrer Investmentphilosophien bliebt unerwähnt.
Die Branche hat eher ein Lieferantenproblem.